26.06.2023

AfD-Klage gegen pad gGmbH abgewiesen – Gerichtliche Entscheidung nun rechtskräftig

  05 OsternHultschi

Im September 2021 mahnte ein Anwaltsbüro im Auftrag der AFD-Fraktion in der BVV Marzahn-Hellersdorf die pad gGmbH ab, weil die Partei im Demokratiebericht für das Jahr 2020 benannt wurde. In dem Bericht der Koordinierungsstelle für Demokatieentwicklung in Marzahn-Hellersdorf stand geschrieben, dass die AfD zivilgesellschaftliche Akteure im Bezirk diffamieren würde und dass sie sich rassistisch und rechtspopulistisch geäußert habe und deshalb in Zukunft ebenfalls von solchen Äußerungen auszugehen sei. Die Fraktion der AfD in der BVV Marzahn-Hellersdorf war der Meinung, diese Aussagen wären beleidigend und würden das Ansehen der BVV-Fraktion herabsetzen. Sie forderten die pad gGmbH dazu auf eine Unterlassungserklärung zu unterzeichnen, nach der die pad gGmbH nie wieder hätte behaupten dürfen, dass a) die AfD zivilgesellschaftliche Akteure im Bezirk diffamiere und b) die Äußerungen der AfD zum Teil rassistischen Charakter haben. Würde die pad gGmbH in Zukunft dagegen verstoßen, müsse sie 250.000 € Ordnungsgeld zahlen oder die Geschäftsführung bis zu 6 Monate in Ordnungshaft.

Die pad gGmbH unterschrieb diese Unterlassungserklärung nicht, stellte die gesammelten Belege für die getroffenen Aussagen zusammen und beauftragte einen Anwalt für Presserecht in dieser Angelegenheit.

Die AfD-Fraktion der BVV Marzahn-Hellersdorf reichte drei Monate später, im Dezember 2021, über ihren Anwalt Klage gegen die Geschäftsführung der pad gGmbH am Landgericht Berlin ein.

Am 9. März 2023 fand die Verhandlung statt. Das Gericht stellte fest, dass die AfD-Fraktion der BVV Marzahn-Hellersdorf klageberechtigt ist, weil sie die Rechtsnachfolge der vorhergehenden Fraktion ist. Klägerin war die Fraktion, nicht die Einzelpersonen, aus der die Fraktion oder die Partei besteht. Das ist insofern wichtig, weil Zusammenschlüsse wie Fraktionen oder Parteien stärkere Kritik aushalten müssen als Einzelpersonen.

Das Gericht wies die Klage der AfD-Fraktion Marzahn-Hellersdorf ab, weil sie unbegründet sei. Bei den Behauptungen, die im Demokratiebericht geäußert wurden, handele es sich um Meinungsäußerungen und nicht um Schmähkritik. Die Belege, und damit die Tatsachen, die von der pad gGmbH vorgelegt worden waren, boten ausreichend viele Anhaltspunkte, um zu der Meinung zu gelangen, die AfD äußere sich diffamierend und rassistisch.

Aus dem Urteil:
„Demnach wurde in Veröffentlichungen der Klägerin geäußert, Künstler sollten „ehrliche und ehrbare Arbeit“ anstatt „bolschewistischer Kulturbarbarei“ betreiben. Mitglieder der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten“ wurden als „Rollkommando der Linksextremisten“ bzw. „gewaltbereite Gestalten der roten SA, die die Totenruhe gestört“ hätten, und ihr Geschäftsführer wurde als „Rottenführer“ bezeichnet, der sich „eine ehrliche Arbeit suchen“ müsse. Mitarbeiter der vom Bezirk unterstützten „Partnerschaft für Demokratie Marzahn“ bzw. „Partnerschaft für Demokratie Hellersdorf“ wurden als „politische Wirrköpfe“ betitelt. Über den „Arbeitskreis Rechte Gewalt“, Antirassistische Registerstelle, des AStA der Alice-Salomon-Hochschule heißt es, es fänden Steuerverschwendung bzw.-zweckentfremdung durch „sogenannte Rechtsbekämpfer“ und Subventionierung von „Schreiberlingen“ bzw. „Dreigroschenjungs“ statt. Es würden „tatsächliche oder erfundene Tatbestände“ gesammelt, die „angeblich gegen geltendes Recht“ verstießen, „um Ängste in der bürgerlichen Gesellschaft zu schüren, um die freie bürgerliche Gesellschaft zu stürzen und um einer erneuten kommunistischen Diktatur“ den Weg zu ebnen. Weiter heißt es, die Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau habe „den Bazillus des Stalinismus in ihre DNA aufgesaugt“ und „die Linken“ wollten „ein Prozent der Bürger vor einer Revolution erschießen“. Alle diese Verlautbarungen rechtfertigen die Wertung als „diffamierend“. Unter einer Diffamierung wird gemeinhin eine Abwertung, Herabsetzung oder auch Verleumdung verstanden. Mit den Äußerungen werden die betroffenen Personen als Betrüger, Gewaltbereite, „Arbeitsscheue“, Kommunisten oder „Stalinisten“ dargestellt. Dies als „diffamierend“ zu bezeichnen, ist insbesondere unter Berücksichtigung des Umstands, dass derjenige, der im öffentlichen Meinungskampf zu einem abwertenden Urteil Anlass gegeben hat, eine scharfe Reaktion auch dann hinnehmen muss, wenn sie das persönliche Ansehen mindert (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 10. März 2016 – 1BvR 2844/13–,Rn. 25, juris), von der Meinungsfreiheit aus Art.5Abs.1GG gedeckt.“

„Ebenso dürfen die Äußerungen in der Zeitschrift „Auf geht ́s“, der „Wertekanon“ der seit 2015 eingewanderten Menschen sei „mit unserer christlich geprägten säkularen Kultur nicht kompatibel“, es finde eine „Massenmigration“ statt, die mit dem Menschenrecht auf Asyl nichts zu tun habe, es seien „hauptsächlich Wirtschaftsflüchtlinge aus Afrika“ gekommen, die Grenzen seien „völlig offen und kontrollfrei“, es gebe „erhebliche finanzielle Anreize“, die Einwanderung sei für jeden jederzeit möglich und es komme zu „sozialer Verdrängung in Verbindung mit bevorzugter Behandlung von Zuwanderern“ und zu „wachsender Kriminalität“, was alles „auf dem Rücken der abwertend als die, schon länger hier Lebenden` genannten“ ausgetragen werde als „rassistisch“, nämlich als ideologisch motivierte Abwertung bestimmter Menschen allein aufgrund ihrer Herkunft, bezeichnet werden. Denn es wird die pauschale Behauptung aufgestellt, Flüchtlinge aus dem islamisch geprägten Ausland bzw. aus Afrika kämen nicht wegen politischer Verfolgung, sondern allein aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland, würden bevorzugt und seien nicht willig oder in der Lage, sich an hiesige Gesetze zu halten, was eine Benachteiligung der einheimischen Bevölkerung und steigende Kriminalität zur Folge habe. Dies als „rassistisch“ zu bezeichnen, ist ebenfalls von der Meinungsfreiheit gedeckt.“

Andreas Wächter, Geschäftsführer der pad gGmbH bewertet das Urteil, das mittlerweile rechtskräftig ist: „Das Urteil ist ein wichtiges Zeichen für alle demokratischen Akteur*innen im Bezirk und darüber hinaus. Die AfD-Fraktion der BVV Marzahn-Hellersdorf wollte mit der Klage die Meinungsfreiheit unseres Trägers einschränken. Das ist ihr nicht gelungen. Wir werden auch in Zukunft Diffamierungen und rassistische Äußerungen öffentlich kritisieren.“

 

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