30.03.2023

Auswertung für 2022: Berliner Registerstellen verzeichnen zweithöchste Zahl rechter, rassistischer und antisemitischer Vorfälle seit Erfassung

  05 OsternHultschi

Im Jahr 2022 erfassten die Berliner Registerstellen gemeinsam mit ihren Kooperationspartner*innen 4.156 Vorfälle (2021: 4.841) mit extrem rechtem, rassistischem, antisemitischem, LGBTIQ*-feindlichem, sozialchauvinistischem, behindertenfeindlichem und antifeministischem Hintergrund. Das ist ein Rückgang von ca. 700 Vorfällen und 14 Prozent weniger gegenüber dem Vorjahr.
Im Durchschnitt wurden pro Tag ca. 11 Vorfälle dokumentiert. Alle Vorfallsarten gingen zurück. Lediglich bei Veranstaltungen und LGBTIQ*-feindlichen Vorfällen wurden steigende Zahlen verzeichnet.
Mit der Corona-Pandemie waren in den Jahren 2020 und 2021 bestimmte Vorfälle angestiegen wie antisemitische und den Nationalsozialismus verharmlosende Propaganda, Angriffe auf Medienvertreter*innen am Rand von Demonstrationen, Sachbeschädigungen an Impfzentren, Beleidigungen und Bedrohungen gegen Politiker*innen, Virolog*innen und gegen Menschen, die auf die Maskenpflicht in geschlossenen Räumen hinwiesen. Mit dem Auslaufen der Corona-Maßnahmen im Frühjahr 2022 nahmen diese Vorfälle ab. Der Rückgang betrifft alle inhaltlichen Themenfelder und alle Vorfallskategorien, bis auf Veranstaltungen und LGBTIQ*-feindliche Vorfälle.

Der Krieg in der Ukraine wurde als neues Thema aufgegriffen. Es entfaltete aber ein geringeres Mobilisierungspotenzial als der Protest gegen die Corona-Maßnahmen. Ein Teil des Protestmilieus, der vor der Pandemie bereits dem Reichsbürgerspektrum zuzuordnen war, ist Verschwörungsmythen treu geblieben und führte wöchentlich stattfindende Kundgebungen in Mitte durch. Die Inhalte der Veranstaltungen reichten von Q-Anon über Rassismus, von Coronaleugnung bis zur Verbreitung russischer Propaganda. Diese regelmäßigen Veranstaltungen hatten mit 10 bis 30 Teilnehmenden nur wenig Zulauf. Es kamen jedoch neue Personengruppen zu den Verschwörungsgläubigen hinzu: Menschen aus der Friedensbewegung und aus linken Strömungen, die traditionell anti-imperialistisch, anti-kapitalistisch und anti-amerikanisch eingestellt sind. NS-Vergleiche blieben an der Tagesordnung und stiegen an.

Der Ukraine-Krieg wirkte sich auch auf einen weiteren Bereich aus: Es wurden weniger Fälle von struktureller Benachteiligung aus Beratungsstellen an die Registerstellen gemeldet. Diese berichteten, dass sie mit der Bearbeitung existentieller Probleme der geflüchteten Menschen aus der Ukraine beschäftigt waren, die Unterkunft, Aufenthalt, Arbeit und Schule betrafen. Schwarze Menschen und Rom*nja, die ebenfalls unter den aus der Ukraine Geflüchteten waren, waren dabei häufiger von Diskriminierung betroffen als andere Gruppen.

LGBTIQ*-feindliche Vorfälle erreichten mit 239 ihren Höchststand seit Dokumentation der Registerstellen (2021: 199). Das ist für dieses Themenfeld beachtlich, denn bis 2020 war es von Polizeipressemeldungen gegen schwule Männer geprägt, die seit 2021 aufgrund von Datenschutzproblemen nicht mehr von der Polizei an Dokumentationsstellen übermittelt werden können. Durch Meldungen aus zivilgesellschaftlichen Quellen stiegen die Vorfälle trotzdem an. Zwei Drittel der Vorfälle richteten sich 2022 gegen trans (81 Vorfälle) und queere (79 Vorfälle) Menschen, 55 Vorfälle gegen schwule Männer. Darunter sind körperliche Angriffe, Beleidigungen und Bedrohungen, Aufkleber extrem rechter Organisationen, Diskriminierungsfälle und sogar Veranstaltungen. Die geplante Abschaffung des Transsexuellengesetzes, das seit 1981 gilt und der Ersatz durch das Selbstbestimmungsgesetz für trans- und intergeschlechtliche Menschen heizte die Gemüter an, was zum Anstieg transfeindlicher Vorfälle führte.

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